Page 9 - Das Bier und das Holz
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Fasskultur die Bierwelt erobert. Einige der ambitionier- ten Newbies begannen damals gebrauchte Whisky- Fässer für die finale Reifung ihre Biere zu verwenden. Da die Fässer fürs intensive Flavouring des Bourbon ohnehin jeweils nur ein einziges Mal verwendet wer- den konnten, waren sie am Gebrauchtmarkt günstig erhältlich und boten jede Menge an aromatischem Po- tenzial. Selbstredend waren sie nicht dafür geschaffen, einen Innendruck aufrecht zu erhalten und kamen da- her nur als Aromaspender für ein vollkommen ausge- gorenes Bier in Frage. Und auch hier musste während der Lagerung ein Druckverlust in Kauf genommen wer- den, der erst mit einer Rekarbonisierung kompensiert werden konnte. Im Regelfall erfolgte auch ein abschlie- ßendes Mischen mit einer bestimmten Menge an ‘nor- malem‘ Bier, sodass eigentlich letztendlich von einer ‘bierigen Cuvée‘ gesprochen werden konnte.
Kreatives Crossover
Die neue Vielfalt an Aromen sowie die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten hinsichtlich der Bier- und
Fasstypen fanden in der Microbrewery-Szene raschen Anklang – sowohl auf Seiten der engagierten Brauer als auch beim Publikum. Seitdem ist daher mit zahlreichen unterschiedlichen Ansätzen in diesem Feld experimen- tiert worden. Mittlerweile kommen auch gebrauchte Rum-, Rotwein- und Grappafässer zum Einsatz wäh- rend sich beim Biertyp der Bogen vom belgischen Dubbel bis zum irischen Stout spannt. Auch hinsicht- lich der Verweildauer des Biers im aromatisierenden Fass gibt es vollkommen unterschiedliche Ansätze: Die Minimaldauer von einer Woche wird dabei oft bis zu einem ganzen Jahr verlängert. Von Vorteil ist aber auf jeden Fall die Verwendung eines gerade geleerten Spi- rituosenfasses, da sich mit dessen Austrocknen auch das vormalige Bukett von Bourbon, Rum und Grappa verflüchtigt. Ideal sind daher räumliche Naheverhält- nisse zwischen einer Kreativbierbrauerei und einer Edelbranddestillerie. Dafür gibt es internationale Bei- spiele wie etwa die Anchor Brewery in San Francisco, welche die ‘rye-whisky-barrels‘ aus ihrer eigenen Whisky- Erzeugung nutzt. Aber auch in Österreich kann eine Brauerei auf eine derartige Symbiose verweisen: Im gleichen Gebäudekomplex wie die Klagenfurter Kre- ativbrauerei Schleppe hat auch Valentin Latschen mit der ‘Pfau‘-Brennerei sein betriebliches Domizil. Somit sind dort die Wege denkbar kurz, was auch an der her- vorragenden Qualität der ‘Oak Aged Limited Edition‘ von Schleppe erkennbar ist.
Eiche als Solist
Neben dem Einsatz von gebrauchten Fässern kann man das Projekt ‘Bier&Holz‘ natürlich auch noch wesentlich puristischer angehen. Alexander Kiesbye hat beispiels- weise zum letztjährigen Zehnjahresjubiläum des ‘Wald- biers der Österreichischen Bundesforste‘ ein Eichenbier eingebraut. Das eigens angefertigte 250-Liter-Fass war neu und steuerte daher nur seine Tannine zum bierigen Aroma bei. Das Bier lagerte darin mehrere Monate. Ab- schließend erfolgte noch ein Verschnitt, wie weiter oben bereits beschrieben. Ein weiteres Beispiel für diesen Biertyp im benachbarten Ausland ist das Appenzeller Holzfassbier. Die familiär geführte, Ostschweizer Klein- brauerei Locher (Jahresausstoß von 80.000 hl) braut unter dieser Bezeichnung ein untergäriges Bier auf Basis dreier Malzsorten (Pilsner-, Wiener- und Karamellmalz). Die vier- monatige Lagerung in Eichenfässern bedingt auch hier einen CO2-Verlust, der durch Rekarbonisierung wiede- rum wettgemacht wird. Seit 1989 gehört der Schweizer Braubetrieb Locher der Heineken-Gruppe an, was unter Beweis stellt, dass auch kleine, spezielle Projekte unter einer globalen Dachmarke durchaus realisierbar sind.
S tyles 57 MAGAZINE
Foto: reason.tv/maxresdefault
Der mittlerweile 84-jährige Frederick
Louis „Fritz“ Maytag gilt in der US-Szene als Godfather der Craft-Beer-Kultur. 1964 übernahm er die Anchor Brewing Company in San Francisco und braute dort das erste amerikanische IPA. Nach zahlreichen finanziellen Anlaufschwierig- keiten stellte sich dann der Erfolg ein. 1993 konnte Maytag den Betrieb mit einer Kleinbrennerei für Rye-Whisky (hergestellt aus 100% Roggen) erwei- tern. Im Jahr 2017 wurde die Anchor Brewery um 85 Millionen Dollar an die Sapporo-Breweries-Gruppe verkauft.
Das ‘Oak Aged‘ von Schleppe:
Ein Doppelbock, gereift im Whisky-Fass, mit 20,3 Grad Stammwürze und 9,5 % Alkohol...