Page 4 - Von Stein Kessel und Pfanne
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BRAU
BRAUKUNST
KUNST
Wer kennt ihn nicht: Den stets tiefenentspannten kel- tischen Druiden Miraculix, der mittels langem Kochlöf- fel in seinem Kessel unentwegt Zaubertrank für seinen Helden Asterix braut. Mit einer goldenen Sichel ge- schnittene Misteln und Steinöl sind dabei als Zutaten ein Muss – das weitere Zugeben von Hummer und Erdbeeren dient dagegen nur zur geschmacklichen Abrundung des Elixiers ;-)
Noch kein Hopfen
All jene, die in diesem raffinierten Rezept generell einen historischen Hinweis auf die damalige vor- christliche Braukultur vermuten, muss man jedoch enttäuschen ;-) Lediglich hinsichtlich der Vielfalt an Zutaten scheint es Parallelen zu geben: Der Hop- fen als alleiniger aromatischer Bierzusatz war näm- lich damals noch nicht gebräuchlich. Erst rund 1000 Jahre später ist ein Hopfenanbau in Böhmen belegt. Die gallischen Kelten verwendeten dagegen zum Abrunden ihrer bierigen Sude Bilsenkraut, Gagel oder Porst, die seit der Steinzeit bekannt waren. Zur Geschmacksverbesserung und Haltbarmachung wurden darüber hinaus je nach Verfügbarkeit und Rezeptur noch Eichenrinde, Eschenblätter, Wachol- derbeeren, Schlehen und Schafgarbe verwendet.
Früchte als Hefequelle
Also doch keine Zugabe von Erdbeeren ins Bier der Gallier wie bei ihrem sagenumwobenen Zaubertrank? Nicht ganz. Möglicherweise wurden wilde Beeren als Hefequelle fürs Vergären genutzt. Auf dem Brau-Ge- treide selbst finden sich nämlich keine alkoholbilden- den Hefen, da es dort für sie keinen verwertbaren Zu- cker gibt. Die Hefe musste ursprünglich also aus einer anderen Quelle kommen. Nützlich könnte ferner der Umstand gewesen sein, dass viele Früchte Säuren ent- halten, die den pH der Würze absenken und zum Teil auch bakteriostatisch wirken.
Brauen ohne Kessel
Vieles lässt sich also zumindest auf humorvolle Weise mit der französischen Comic-Vorlage vergleichen. Ein konkretes Detail in den bunten Miraculix-Bildern, das mit der damaligen Brauwirklichkeit jedoch sicher nicht übereinstimmt, ist das lodernde Feuer unter dem Sud- kessel des Druiden. Die keltischen Bierbrauer verwen- deten nämlich Brau-Bottiche aus Holz, die mit einer of- fenen Flamme nicht erwärmt werden konnten. Gegen den eventuellen Einsatz großer feuerfester Bronzekes- sel sprachen allein schon die enormen Kosten, die nur die damaligen Fürsten aufbringen hätten können. An
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diesem Umstand änderte sich auch in den folgenden Jahrhunderten wenig. Auch als die ersten Sudkessel um das Jahr 1400 aus reinem Kupfer gefertigt wurden, waren sie noch immer so teuer wie ein gesamtes Ein- familienhaus. Um diese Ausgaben zu amortisieren, war eine Produktion bzw. ein Export größerer Biermengen erforderlich, wobei die Transportkosten nicht über- hand nehmen durften. Die beschwerliche Auslieferung mit Fuhrwerken über schlechte Straßen konnte diese Vorbedingung nicht erfüllen. Der Bierpreis erhöhte sich damit bis um 70%. Hingegen stand den Brauereien der Küstenstädte der rasche und vergleichsweise billige Seehandel für ihre Produktionsoptimierung offen. Die Segelschiffe der Renaissance konnten bereits Volumi- na von bis zu 100 Hektoliter aufnehmen und diese mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km pro Tag transportieren. Selbstredend war dieses Tempo noch immer so gering, dass man für die Haltbarkeit dieses