Page 10 - Grazer Braukultur
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BRAU
BRAUKUNST
KUNST
 auch nach heutigen österreichischen Maßstäben einer Großbrauerei entsprechen würde.
Grazer Bierkrawall
All dies spiegelt auch gut die damals schon bestehen- de Leidenschaft der Grazer fürs Bier wider. Bereits rund 150 Jahre davor, wie eine Aufzeichnung aus dem Jahr 1785 belegt, wurden in der Landeshauptstadt jährlich 140.000 Eimer Bier getrunken. Dagegen machte der Weinkonsum zu diesem Zeitpunkt nur mehr 90.000 Eimer aus und blieb damit schon deutlich hinter dem Bierumsatz zurück. Das ist insofern bemerkenswert, da das steirische Unterland lange als ausschließliche Wein- und Mostregion galt. Mit der zunehmenden Brauqualität stieg im 19. Jahrhundert die bierige Lei- denschaft der Südsteirer noch weiter – eine Vorliebe, die sie sich auch durch Preissteigerungen nicht neh- men lassen wollten. Welche Brisanz diese Thematik entwickeln konnte, beweist auf tragische Weise der sogenannte Grazer Bierkrawall am Beginn des Jahres 1872. Die damals ausgerufenen Preiserhöhung um einen Kreuzer pro Krügel führte zu Stürmungen der Brauhäuser, die gewaltsam niedergeschlagen wurden und auch ein Todesopfer forderten.
Eigene Bier-Waggons
Der heimische Absatzmarkt hatte also um 1900 schon eine solide Basis. Zudem ging ein guter Produktions- anteil beider Grazer Großbrauereien bereits vor dem Ersten Weltkrieg in den Export. Im Gegensatz zu den Ursprüngen der Betriebe waren deren Biersorten mitt- lerweile durch Filterung und Pasteurisierung weitaus haltbarer. Mit dem gerade neu entstandenen Bahnnetz stand zusätzlich eine rasche Transportmöglichkeiten zur Verfügung. Die speziellen Bier-Waggons zeichneten sich
damals zunächst nur durch einen weißen Anstrich aus. Aber auch dieser konnte die Sonnenstrahlung besser reflektieren und schützte damit vor einer allzu raschen Erwärmung des zu transportierenden flüssigen Guts. Etwas später wurden in den Waggons zusätzlich Dop- pelwände zur Verbesserung der Isolation eingezogen. In den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kamen aktiv arbeitende Kühlsysteme hinzu. Sie basierten anfänglich allerdings noch auf Natureis, da das bereits erfundene Lindeverfahren zum damaligen Zeitpunkt
   Würde nicht im fernen Hintergrund die rote Marke eines Lebensmittelmarkts aufscheinen, könnte man sich in dieser Ecke des Brauereigeländes um Jahr- zehnte nostalgisch zurückversetzt fühlen...
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      Foto: Tom Euscher























































































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