Page 6 - Grazer Braukultur
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BRAU
BRAUKUNST
Historische Karte von Graz/Umgebung vor 1918: 1) Brauerei Puntigam, 2) Brauerei Reininghaus, 3) Stadtzentrum (1cm entspricht ca. 1km)
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Ein Portrait aus 1851: Therese Mautner.
KUNST
Ausbau zur großen Brauerei
Die Gastwirtschaft Puntigam war mit ihrer Braukunst derart erfolgreich, dass sie um 1838 bereits als eigen- ständige Brauerei an den Unternehmer Franz Knabl verkauft werden konnte. Kurz danach (1840) über- nahm dann Franz Hold die Geschäfte und steigerte die Produktion bis 1872 auf einen beachtlichen Aus- stoß von rund 100.000 Hektoliter. Dies entspricht in etwa einem Zehntel der heutigen Produktionsmenge in Graz-Puntigam.
Zweiter Braubetrieb in Graz
Ungefähr zur selben Zeit (1853) kaufte der aus Westfalen stammende Johann Peter Reininghaus mit seiner Frau Therese Mautner um 99.000 Gulden die kleine Brauerei ‘Zum Alten Mauthause‘ am Steinfeld in Graz. Die hono- rige Bezeichnung des Anwesens kam nicht von unge- fähr, da sich Geschichte der Mautstelle bis ins Jahr 1361 zurückverfolgen ließ. Relativ früh (1669) wurden deren Pächtern auch ein Brau- und Ausschankrecht einge- räumt. Im örtlichen Vergleich mit der Puntigamer Brau- erei lag sie dem Grazer Stadtkern etwas näher und be- stand neben dem obligatorischen Sudhaus aus einem Wohnhaus, einem Gär- und Lagerkeller, einem Stall (mit Scheune) und insgesamt 45 Hektar Land.
Spezialisten für Hefe
Die Produktion von alkoholischen Getränken war da- bei dem jungen Reininghaus nicht fremd, war doch sein Vater im westfälischen Ort Kierspe Landwirt und Branntweinproduzent mit einer Kartoffelbrennerei. Um in dessen Geschäfte fachkundig hineinzuwachsen, hat- ten er und sein jüngerer Bruder Julius in Berlin Chemie studiert und sich dabei auf Fragen rund um die He- fezucht spezialisiert. Über dieses Fachgebiet kamen beide Brüder dann in Kontakt zu Adolf Ignaz Mautner, der in Wien ab 1840 die Brauerei St. Marx gepachtet hatte und gleichzeitig Interesse an einer Verbesserung von Backhefe hatte. Industriell gesehen war damals die Gewinnung hochwertiger, fürs Backen von Weißgebäck geeigneter, Germ ein dringendes Bedürfnis. Durch die Umstellung des Biertyps von obergäriger Brauart auf die untergärige Methode konnte die Hefe beim Brau- vorgang oben am Jungbier nicht mehr so einfach abge- schöpft werden. Sie wurde daher nicht nur in Wien zur Mangelware. Die Gebrüder Reininghaus wussten um dieses Problem gut Bescheid und boten dem um rund 20 Jahre älteren Adolf Ignaz Mautner ihre Unterstüt- zung an. Die Zusammenarbeit ging dann soweit, dass Julius 1847 und Johann Peter im geschichtsträchtigen Revolutionsjahr 1848 nach Wien zogen.
18 S tyles MAGAZINE
Eheglück
Stürmisch war zu dieser Zeit nicht nur das politische Geschehen, sondern auch das Liebesleben der beiden Neuankömmlinge aus deutschen Landen;-) Beide erla- gen nachhaltig dem Wiener Charme von Adolf Ignaz Mautners Töchter Therese und Emilie. Am ersten Blick mag das vielleicht etwas familiär konstruiert wirken. Al- lerdings ist zu berücksichtigen, dass Adolf Ignaz Mautner neben vier Söhnen auch vier weitere Töchter hatte, so- dass Hans Peter und Julius Reininghaus bei der Wahl der richtigen Partnerin tatsächlich auf die ‘Stimme ihres Her- zens‘ hören konnten;-) 1850 heiratete Hans Peter seine Therese und zog mit ihr drei Jahre später nach Graz in die oben bereits genannte Brauerei ‘Zum Alten Mauthause‘. An der Landeshauptstadt selbst, die damals rund 60.000